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#25 Umweg über Andalusien

  • Autorenbild: CamperFan
    CamperFan
  • 24. Feb.
  • 7 Min. Lesezeit
Schlangenbucht (Playa Parazuelos) in Mazarron
Schlangenbucht (Playa Parazuelos) in Mazarron
Reise-Video zum Blog

Unser wettermässiger «Umweg» über Andalusien hat sich gelohnt: Statt Sturm und Regen erwarten uns Sonnenschein und T-Shirt-Wetter. Wir treffen erst am späten Nachmittag an der Küste ein und haben keine Lust, auf verschiedenen Stellplätzen einen freien Platz zu suchen. So entscheiden wir uns spontan, die erste Nacht am Meer sozusagen im «Epizentrum» von Südspaniens Freistehplätzen zu stehen: Die berühmt-berüchtigte Ziegenwiese befindet sich nur einen Steinwurf neben der legendären Schlangenbucht, die bis zur Schliessung vor drei Jahren einer der bekanntesten und beliebtesten Stellplätze Spaniens war. Wir finden rasch einen freien Platz und stellen uns zwischen die vielen Camper, deren bunte Palette vom selbstausgebauten Hippie-Bus bis zum Morelo Luxus-Liner reicht. Im Gegensatz zu Portugal gibt es in Spanien (noch) zahlreiche solche Orte. Die Frage ist, wie lange noch? Einige Camper scheinen es mit dem Territorial- und Campingverhalten zu übertreiben und andere mit der Entsorgung nicht so genau zu nehmen. So erstaunt es wenig, wenn die Gesetzesschrauben auch in Spanien immer mehr angezogen und Küstenplätze mit einem Camperverbot belegt werden. Auch den Lokalmedien ist diese «Überflutung» nicht entgangen: Sie berichten von weiteren notwendigen Massnahmen, um insbesondere in den Naturschutzgebieten wieder Ruhe und Ordnung zu schaffen.   

Schlafen unter Palmen
Schlafen unter Palmen
Schlafen unter Sternenhimmel
Schlafen unter Sternenhimmel

Wir fahren weiter zu einem nahegelegenen Stellplatz und lassen uns dort für die kommenden Tage nieder. Das Gebiet eignet sich gut für Fahrrad- oder Mountainbiketouren. Auch Arbeiten muss wieder mal sein. So nutzen wir die Zeit, um verschiedene Pendenzen und Projekte zu erledigen, zwischendurch die Küste mit ihren malerischen Buchten zu erkunden oder in der Strandbar ein paar Tapas zu essen. Danach geht es weiter südwärts. Wir übernachten einige Male direkt am Meer, das nach dem Aufstehen trotz seiner überschaubaren Temperatur von 16-17 Grad zu einem erfrischenden Bad einlädt. Mit einem etwas mulmigen Gefühl stehen wir eine Nacht auch in der Nähe von Palomares. Dort ereignete sich am 17. Januar 1966 einer der grössten Nuklearunfälle der Nachkriegszeit: Ein mit vier Wasserstoffbomben beladener US-Bomber 52 stiess mit einem Tankflugzeug zusammen. Glücklicherweise explodierten beim Aufprall keine Bomben, welche die 75-fache Sprengkraft einer Hiroshima-Bombe hatten, sondern nur zwei der Zünder. Dadurch verteilten sich mehrere Kilogramm hochradioaktives Plutonium 239 über dem südspanischen Küstenort. Es wurden zwar Erdschichten abgetragen und Sperrzonen eingerichtet, die Strahlenwerte sollen dennoch auch heute noch sehr hoch sein, wie in verschiedenen Reiseforen zu lesen ist. Auch wir strahlen am nächsten Morgen. Aber anders: Der Blick aus dem Fenster auf den Sonnenaufgang über dem Meer ist phantastisch. Die nächsten Tage verbringen wir in Agua Amarga auf einem Stellplatz. Vom schmucken Fischerdorf aus führt eine Via Verde ins rund 120 Kilometer entfernte Lucianena. Diese Eisenbahnlinie, deren Trassee heute grösstenteils als Fahrrad- oder Wanderweg genutzt wird, diente einst, um Eisenerz von den Schmelzöfen in der Sierra Alhamilla nach Agua Amarga zu transportieren und dort zu verschiffen. Auch wir erkunden ein Stück dieser beeindruckenden Strecke mit unseren Bikes. Vorerst letztes Ziel an der Küste ist der Naturpark Cabo de Gata, welchen wir von unseren früheren Reisen sehr gut kennen. Wir folgen einer Einladung von Freunden aus der Schweiz, die uns im tiefsten Süden Spaniens zu Fondue einladen. Das Motto «Chli stinke muess es» kommt im engen Wohnmobil sehr authentisch zur Geltung.

Biken in den Mandelblüten
Biken in den Mandelblüten
Mirador de Marchal (Badlands) bei Guadix
Mirador de Marchal (Badlands) bei Guadix
Heise Quellen Baños de Zujar
Heise Quellen Baños de Zujar

Von Cabo de Gata aus zieht es uns wieder ins Landesinnere. Als erstes in die Höhe. In der Sierra Filabres befindet sich Europas grösstes Observatorium. Wir staunen nicht schlecht, als wir dort oben auf gut 2100 Meter auf Schnee treffen und uns fast schon wie zuhause fühlen. Die Astronomen nutzen die geringe Lichtverschmutzung und trockene Luft hier oben, um mit den fünf Teleskopen möglichst optimal in die Weiten des Weltalls zu blicken. Und wir nutzen den fotogenen Ort, um die Nacht zu verbringen und den atemberaubenden Sternenhimmel zu geniessen. Unsere Bedenken, die Dieselheizung könnte in dieser Höhe versagen, erweisen sich als unbegründet. Diese knattert die ganze Nacht zuverlässig vor sich hin und lässt uns von frostigen Minustemperaturen im MUK nichts spüren. Nichtsdestotrotz fahren wir am nächsten Morgen zum Embalse de Negratin, um uns in den heissen Quellen von Zujar ein warmes Bad zu gönnen – eine warme Badewanne vor dem Wohnmobil sozusagen.

Unterwegs auf dem Embalse bei Ardales
Unterwegs auf dem Embalse bei Ardales
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Ardales, unser nächstes Ziel, liegt ebenfalls an einem Stausee, dem Embalse Conde de Guadalhorce. Bekannter als dieser See ist allerdings der «Caminito del Rey». Dieser galt bis zu seiner touristischen Erschliessung aufgrund seiner exponierten Lage in einer nahezu senkrechten Felsschlucht als einer der gefährlichsten Wanderwege der Welt. Da wir den Trail bereits vor drei Jahren erkundet haben, entschliessen wir uns diesmal für eine Kajaktour auf dem See. Wir führen in unserem Camper seit Jahren ein aufblasbares Qualitätskajak mit moderatem Stauvolumen mit. Dieses stand schon auf dem Meer, auf Flüssen oder eben in Seen im Einsatz. Ardales erinnert uns aber nicht nur an die spektakuläre Wanderung im Caminito oder den türkisfarbenen See, sondern auch an unser schlimmstes Wohnmobil-Erlebnis: Den Kapitalfehler, den Camper ohne Handbremse und eingelegtem Gang auf der (scheinbar) flachen Grauwasserentsorgung abzustellen, mussten wir vor drei Jahren bitterböse büssen: Glücklicherweise prallte unser «Moby Dick» nach seinem Losrollen damals gegen eine Pinie, bevor er in eine Schlucht stürzte. Nach gut drei Wochen Wartezeit auf die Ersatzteile, konnten wir ihn sozusagen in letzter Sekunde vor dem Rückflug in die Schweiz in der Autowerkstatt abholen. So sind wir trotz unentschuldbarer Fahrlässigkeit letztendlich mit einem blauen Auge davongekommen.  

Setenil de las Bodegas
Setenil de las Bodegas

Rund 50 Kilometer südwestlich von Ardales besuchen wir das Felsen-Städtchen Setenil de las Bodegas. Der Zusatz «Bodegas» stammt aus der Zeit als hier noch Weinbau betrieben wurde. Seit einem weitum verbreiteten Reblaus-Befall gehören der Weinbau und damit auch die Bodegas der Vergangenheit an. Trotzdem zieht das Städtchen jedes Jahr zehntausende Besucher an. Grund ist seine spezielle Lage in einer Felsenschlucht. Zahlreiche Häuser sind in oder unter die Felsen gebaut, welche teilweise sogar die Strassen überragen. Diese einmalige Architektur, verbunden mit schmucken Gassen und Plätzen, verleiht dem Pueblo Blanco den einmaligen Charme. Seinen Namen hat Setenil übrigens aus der Zeit, als die Katholischen Könige das maurische Spanien eroberten. Aufgrund besagter Topografie gestaltete sich die Eroberung sehr schwierig – sieben Mal nichts oder auf Lateinisch «septem nihil», woraus sich später Setenil ergab.   

Via Verde de la Sierra
Via Verde de la Sierra
Via Verde de la Sierra
Via Verde de la Sierra

Unsere Reise geht weiter westwärts. Nächster Stopp ist die Stadt Pruna. Dort lassen wir uns im Olivenhain von Tomas nieder – ein urtypischer und gastfreundlicher Spanier, der sein Gelände unterhalb seiner Tankstelle seit einigen Jahren Campern zur Verfügung stellt. Der Stellplatz erinnert mit dem Esel, der neugierig auf die ausländischen Besucher blickt, und den vielen Hühnern zwar eher an einen Bauernhof als an eine Tankstelle. Dies macht sich insbesondere nachts bemerkbar: Statt dem für Spanien typischen Hundegebell dominieren diesmal die gefühlt zehn Güggel, welche die ganze Nacht in unterschiedlichen Tonlagen und in Stereoqualität um die Wette krähen. Dennoch fühlen wir uns am nächsten Tag genug fit, um zum Castillo del Hierro hochzuklettern. Dieses befindet sich auf dem Hausberg gleich neben der Tankstelle und kann in rund einer Stunde gemütlich über einen gut ausgebauten Wanderweg oder über die Via Ferrata Castillo del Hierro erklommen werden. Die Aussicht ist phantastisch und reicht bis nach Olvera, wo wir als Nächstes hinwollen. Von Olvera bis nach Puerto Serrano führt über 37 Kilometer eine bekannte Via Verde. Via Verdes sind stillgelegte und für Fussgänger und Radfahrer nutzbare Eisenbahnlinien, die es in Spanien im ganzen Land gibt. Die Gesamtdistanz besagter Strecke beträgt 119 Kilometer. Diese wurde nach dem Bau in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts gar nie in Betrieb genommen. Krass: Dutzende Tunnels, Viadukte und Bahnhöfe wurden demnach umsonst gebaut! Heute bieten vieler solcher Strecken eine bequeme und attraktive Möglichkeit, das Hinterland zu Fuss oder mit dem Fahrrad zu erkunden. Die Tunnels sind meistens beleuchtet - ein Licht am Fahrrad oder eine Stirnlampe sind trotzdem empfehlenswert. Auf der Webseite viaverdes.com gibt es eine Übersicht, welche Strecken sich wo befinden. Etwa auf halber Distanz der Via Verde della Sierra befindet sich übrigens der markante Peñon de Zaframagon. Schon von Weitem sind dutzende Geier zu erkennen, die in der Thermik imposant über dem Gipfel kreisen. Es handelt sich um eine der grössten Gänsegeier-Kolonien Europas. Als Ausgangspunkt zur Radtour oder Wanderung empfiehlt sich beispielsweise der Wohnmobilstellplatz direkt bei der ehemaligen Bahnstation von Olvera.

Olvera mit Kirche und Burg
Olvera mit Kirche und Burg

Wir ziehen weiter in Richtung Küste. Nach dem kargen und trockenen und gebirgigen Landschaftsbild im östlichen Andalusien ist es hier im Westen deutlich saftiger, sanfter und grüner. Mandelblüten und verschiedene Blumen kündigen bereits Anfang Februar den Frühling an. Wir erreichen El Puerto de Santa Maria. Die Stadt liegt in der Bucht von Cadiz gegenüber der gleichnamigen Hafenstadt, die wir am nächsten Tag besuchen möchten. Da die Stellplatzmöglichkeiten in Cadiz sehr beschränkt sind, entscheiden wir uns für den Camping in El Puerto de Santa Maria. Von hier aus erreicht man zu Fuss, mit dem Bus oder mit dem Fahrrad den Hafen mit guten und regelmässigen Fährverbindungen nach Cadiz. Die andalusische Stadt mit rund 120 000 Einwohnern wurde vor rund 3000 Jahren von den Phöniziern gegründet. Sie gilt als älteste Stadt an er europäischen Atlantikküste und auch die am südlichsten gelegene Provinzhauptstadt Europas. Fast vollständig vom atlantischen Ozean umgeben, ist der Ort nur durch einen schmalen Landstreifen und zwei Brücken mit dem Festland verbunden. Sehenswert sind unter anderem die Kathedrale, das Castillo de San Sebastian, das Römische Theater, der Parque Genovés oder der Torre Tavira, von wo aus sich eine schöne Rundumsicht auf die Stadt eröffnet. Und natürlich die vielen Strände um die Stadt herum. Cadiz war im 15. und 16. Jahrhundert eine bekannte Hochburg der Seefahrer: Am 24. September 1493 stach beispielsweise Christopher Kolumbus mit 17 Schiffen und Vorräten von Cádiz in See, um dauerhafte Kolonien auf dem amerikanischen Kontinent zu gründen. Unsere letzte Nacht in Spanien verbringen wir in der Nähe des Doñana Nationalparks. Das 543 Quadratkilometer grosse Gebiet im Westen Andalusiens ist eines der wichtigsten Naturreservaten Südspaniens. Es dient unzähligen Zugvögeln auf dem Weg von Europa nach Afrika oder umgekehrt als Zwischenstation. Aber auch viele weitere Tierarten, darunter die bekannten Marismeño-Wildpferde, leben hier in der steppenartigen Landschaft mit seinen vielen Feucht- und Sumpfgebieten. 

Festung von Cadiz
Festung von Cadiz

Eigentlich wollten wir zum Überwintern schon im Januar in Portugal sein. Doch für uns ist das Reisen nicht Mittel zum Zweck, um in möglichst kurzer Zeit ein definiertes Ziel zu erreichen. Wenn immer möglich bewegen wir uns abseits der bekannten Routen, ohne auf die Uhr und den Kilometerstand zu achten. Dabei entdecken wir immer wieder spannende Orte – oder passen unsere Route dem Wetter an. So dauerte unsere Anreise einmal mehr länger als geplant. Nach fast zwei Monaten stehen wir nun aber in Südspanien vor den Toren Portugals und hoffen auf weitere spannende Reise- und Entdeckungswochen. Unser Motto «der Weg ist das Ziel» hat sich zweifellos auch diesmal bewahrheitet …

 
 
 

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