
Also. Es geht wieder los! Bereits zum vierten Mal folgen wir den Zugvögeln und verbringen den Winter im sonnigen Süden. Aber nicht in Griechenland, wie ursprünglich vorgesehen, sondern zum ersten Mal in Portugal. Wetter- und niederschlagsmässig schneidet die iberische Halbinsel in den Wetterstatistiken im Winter besser und vor allem «trockener» ab als Griechenland. Und da wir nicht wissen, ob unser Camper nach dem Regen-Schock auf Sardinien und der anschliessenden Reparatur nun tatsächlich dicht ist, erachten wir die Umplanung als sinnvoll - zumal es in Portugal deutlich mehr Werkstätten und Infrastruktur gibt, falls doch noch was sein sollte.

Der Winter ist noch lang und der Weg an die Algarve ebenfalls. Rund 2500 Kilometer im besten Fall. Aber kurze Wege sind bekanntlich nicht unser Ding. Wer unsere Reisblogs verfolgt, der weiss, dass wir jeweils bereits den Weg zum Ziel machen. Und so planen wir auch diesmal genügend Zeit und Flexibilität ein, um in den sonnigen Süden zu gelangen. Wir entscheiden uns erstmals für den «Wasserweg» -zumindest teilweise beziehungsweise von Genua in Italien nach Barcelona in Spanien.
Nach Weihnachten «satteln» wir unseren MUK und fahren über die Alpen ins Tessin. Um möglichst rasch in den Cappuccino-Modus zu gelangen, verbringen wir zwei Nächte in Locarno auf einem Stellplatz im Maggia-Delta. Das Wetter ist gut, der Himmel blau und die Piazza Grande voll. Bevor wir die Po-Ebene durchqueren, nutzen wir die letzten Ausläufer der Alpen, um am Lago Maggiore oberhalb Baveno eine Via Ferrata (Klettersteig) zu erklimmen. Die Sicht hoch über der Bucht von Verbania ist fantastisch und reicht von der Po-Ebene bis hin zu den Schneebedeckten Viertausender der Alpen. Wir entscheiden uns, die Nacht auf dem Parkplatz des Klettersteigs zu verbringen und erst am nächsten Tag weiterzufahren. Den Jahreswechsel verbringen wir im Piemont in Acqui Terme. Im Camper schmeckt Raclette einfach irgendwie besser als zuhause – und an Silvester sowieso. Der erste Tag im neuen Jahr bringt uns über die Apenninen an die Ligurische Küste. Dort pedalen wir im Bike-Mekka Finale Ligure und Spotorno auf einem coolen Trail rund um den Monte Mao. Am 4. Januar geht’s in Genova auf die Fähre nach Barcelona. Anstatt rund 900 Kilometer über anstrengende Autobahn-Abschnitte mit vielen Baustellen und noch mehre Mautstellen zu fahren, entscheiden wir uns erstmals für die entspannte Meer-Variante – die mit 410 Euro, inklusive 2 Personen, Camper und Kajüte, obendrein sogar günstiger ist als der Landweg, sofern man alles ehrlich durchrechnet. Nach rund 20 Stunden erreichen wir ausgeschlafen das Land der Toreros und des Flamencos. Da wir mittlerweile total schon fast ein Jahr in Spanien gelebt haben, wissen wir, dass dieses Land deutlich mehr zu bieten hat als solche Klischees. Und so entscheiden wir uns auch diesmal nicht auf der 0815-Route entlang der Costa Brava nach Süden vorzurücken, sondern quer durchs Land in Richtung Madrid und Portugal.

Unser erstes Ziel ist das Monastir Monserrat, das etwa eine Stunde Fahrzeit westlich von Barcelona im gleichnamigen Parc Natural liegt. Die Wurzeln des spätmittelalterlichen Klosters, das hoch oben in den Felsen thront, liegen mit seinen verschiedenen Ermitagen aber schon viel weiter zurück. Bekannt ist Montserrat auch durch die Schwarze Madonna oder durch den Knabenchor. Wer das beliebte und stark frequentierte Ausflugsziel besuchen möchte, kann dies vom Talgrund aus mit einer Zahnradbahn oder Schwebebahn tun, oder mit dem Camper selber hochfahren. Man darf nach Entrichtung der 20 Euro Parkgebühren sogar offiziell oben übernachten. Dies lohnt sich insofern, da der Parc Natural mit seinen eindrücklichen Felsformationen zum Wandern einlädt.
Weiter geht unsere Fahrt westwärts in Richtung Lleida. Dort möchten wir an einer «Calcotada» teilnehmen. «Calcots» sind eine Art Frühlingszwiebeln, die in Katalonien um diese Jahreszeit eine begehrte Spezialität sind, über Buchen- oder Rebholz gegrillt und mit einer speziellen Sauce verzehrt werden. Wir reservieren einen Tisch im «La Dolceta» und stellen am nächsten Tag dann enttäuscht fest, dass die begehrte Spezialität erst am Folgetag wieder lieferbar ist. Stattdessen stellt uns der Kellner eine saisonale Alternative mit diversen Tapas und einem saftig gegrillten Rinderfilet zusammen. Wir werden nicht enttäuscht und wundern uns erst, als wir die Rechnung erhalten. Die grünen «Erbsen» kosten 33 Euro und damit 11 Euro mehr als das butterzarte Rinderfilet. Ein Kommafehler? «No», belehrt uns der Kassier. «Una especialidad.» Zugegeben, wir kannten Erbsen bislang primär aus Hero-Konserven und diese spanischen Dinger haben göttlich geschmeckt. Aber 33 Euro? Zurück im Camper googeln wir uns zur Erklärung: Tränen-Erbsen gelten mitunter als teuerstes Gemüse der Welt. Eine kurze Erntezeit von zwei Wochen und der Umstand, dass sie binnen 24 Stunden auf dem Teller landen sollten, da sie sonst 60 Prozent ihres Geschmacks und Gehalts verlieren, verbunden mit einer aufwändigen Bereitstellung (Pro Kilogramm 60 Gramm Ertrag) machen das «grüne Gold», wie die runden Dinger auch genannt werden, nicht nur unglaublich schmackhaft, sondern auch unglaublich teuer. Immerhin sind wir jetzt schlauer und um ein bleibendes Reiserlebnis reicher.



Nach unserem kulinarischen Höhenflug fahren wir am Rio Segro einen kommunalen Gratis-Stellplatz an. Solche gibt es in Spanien in vielen Gemeinden, meist mit Ver- und Entsorgung und teilweise sogar mit Strom. Als «Gegenleistung» kaufen wir in der Regel im Dorfladen ein oder gönnen uns nach der Biketour oder Wanderung in einer Bar ein paar Tapas. Wir fahren weiter zum Rio Ebro. Dort stehen wir direkt am Flussufer und geniessen eine ruhige Nacht. Der nächste Tag bringt uns nach Belchite. Der verlassene Ort war einst eine florierende Stadt im Herzen Aragons. Während des spanischen Bürgerkriegs zwischen den Nationalisten unter Diktator Franco und den Republikanern war der Ort 1937 Schauplatz eines der grössten Massaker der spanischen Geschichte. Mehr als 5000 Einwohner fielen einem erbitterten Kampf zum Opfer. Auf der Plaza Major, die bislang Zentrum eines friedlichen und geselligen Dorflebens war, fanden unzählige Liquidationen statt. Der Geruch der vielen Leichen in den Strassen und Gassen war in der Spätsommerhitze unerträglich. So wurden die Toten in Oliven-Zisternen zwischengelagert und später auf der Piazza Nova verbrannt. Der Wiederaufbau der Stadt wurde von Franco verboten. Stattdessen sollte Belchite der Nachwelt als Mahnmal der schrecklichen Taten erhalten werden. Die Neustadt wurde etwas weiter nördlich errichtet. Die Trümmer der Altstadt können heute geführt – auch mit Audioguide – besichtigt werden.
In den folgenden Tagen ziehts uns in die Pampa: Weit und breit kein Dorf, kein Haus, kein Baum. Nix. Nur eine rotbraune Schotterpiste, die am Horizont im Nirgendwo verschwindet und ein paar Geier, die über den felsigen Hügeln kreisen. Faszinierend schön. Wir entscheiden uns, die Vollmondnacht hier draussen in der Ruhe der Einsamkeit zu verbringen. Nachdem wir den ganzen Tag kein einziges Auto gesehen haben, macht uns ein PW mit vier Typen stutzig, der mit dem Einbruch der Dämmerung an uns vorbeifährt und dabei seine Fahrt verlangsamt. Etwas weiter entfernt hält er sogar an, bevor er seine Fahrt wieder fortsetzt. Unsere Vollmond- und Wüstenromantik ist dahin und unser Bauchgefühl, das bei der Wahl von Freistehplätzen wichtig ist, auch. Wir entscheiden uns, zurück auf den Gratis-Stellplatz von Belchite zu fahren und den zweiten Wüstenabschnitt mit dem Val Madrid auf den nächsten Tag zu verschieben.





Saragossa ist unser nächstes Ziel. Wir müssen ver- und entsorgen, tanken und einkaufen. Der Stellplatz beim Campo Ebro am nördlichen Stadtrand ist gut gelegen, um mit dem Tram (oder dem Fahrrad) in rund 20 Minuten ins Stadtzentrum zu gelangen. Schon von Weitem sticht die Basilica del Pilar mit ihren vielen Türmen ins Auge. Sie ist die grösste Barockkirche Spaniens. Saragossa ist definitiv einen Besuch wert. Unsere Reise geht weiter südwestwärts nach Ateca. Dort haben wir einen Stellplatz herausgesucht, der in der Nähe eines Waschsalons liegt. Oder umgekehrt. Im Gegensatz zur Küste ist es im Inland nämlich schwierig, im Winter offene Campingplätze zu finden, wo man Wäsche waschen könnte. Rund 250 Kilometer weiter südwärts erreichen wir den Embalse de Buendia mit dem gleichnamigen Ort. Von hier aus machen wir eine Wanderung auf die Halbinsel, wo sich die Ruta de las Caras mit ihren in den Fels gehauenen Gesichtern befindet. Diese Monumente wurden vor über 30 Jahren von den beiden Künstlern Eugenio de las Caras und Jorge Juan Maldonado geschaffen. Buendia liegt auf der Höhe von Madrid. Hier müssen wir uns entscheiden, wohin unsere weitere Reise führen soll. Unser Ziel ist nach wie vor die Algarve in Portugal. Doch der Wetterbericht für die kommenden zwei Wochen sieht dort regnerisch und stürmisch aus. So entscheiden wir uns für den Umweg über Andalusien. Die Region Murcia – Almeria - Malaga, wo wir schon dreimal überwintert haben, bestätigt einmal mehr ihren Status als trockenste Region Europas. Im nächsten Teil dieses Reiseberichts erreichen wir das Meer und melden uns von der Küste. Weitere Infos, Bilder und Videos auf camperfan.ch.

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