Es gibt Dinge im Leben, die man einfach tun sollte, wenn der Bauch «ja» dazu sagt. Dieser verregnete Montag im November 2020 war so ein Tag. Ein Tag, wo man eine Entscheidung zu treffen hat, die das ganze Leben verändern kann. «Das ganze Leben?», fragte ich mich in diesem Moment. «Mit bald 57 Jahren ist das ganze Leben eh nicht mehr ganz; nicht mal «halb ganz», «ein Drittel ganz» im besten Fall – aber nur im besten. Zudem werden Gesundheit und Vitalität auch nicht besser aufs Alter. Vor mir auf dem Tisch lag die Kündigung für meinen Job. Es war mir bewusst, in meinem Alter wohl keinen Fulltimejob mehr zu finden. Wollte ich auch nicht. Was ich wollte war Zeit. Nicht warten bis die beste Zeit des Lebens kommt, sondern die jetzige Zeit zur besten machen. Sowas Ähnliches hatte auch Seneca in seinen Epistulaes Morales einst empfohlen. Wie recht er doch hat. Tempus tantum nostrum est. Das Einzige, das uns wirklich gehört, ist kein Ansehen in Job oder Politik und auch kein Auto mit 400 PS, sondern Zeit. Wenn wir nicht wollen, dass sich das Hamsterrad scheinbar jeden Tag schneller dreht und die Zeit an unser vorüberrennt, dann müssen wir halt den Mut haben, es zu verlassen.
Freiheit und Abenteuer
Die tiefhängende und fast schon bedrückende Wolkendecke, die zwischen den steilen Berghängen klebte, machte mir die Entscheidung in diesem Moment leichter. Im kleinen, dunklen Büro lag irgendwie ein Duft von Freiheit und Abenteuer. Das war vor zwei Jahren. Mittlerweile hat sich auch meine Partnerin Karin eine «Auszeit» genommen und ihren Job an den Nagel gehängt. Mit einem Leben auf Sparflamme, selbstständiger Arbeit von unterwegs aus sowie vermieteter Wohnung reisen wir mit unserem Wohnmobil seit einem Jahr durch Europa und entdecken sozusagen als digitale Nomaden Land und Leute. Wir lieben dieses Gefühl, hinter der nächsten Kurve und hinter dem nächsten Bergkamm immer wieder Neues zu entdecken und im Alltag zuhause nicht einfach Donnerstag an Donnerstag zu reihen.
Leben auf 10 Quadratmetern
Unterwegs zuhause zu sein, ist spannend und abenteuerlich, aber manchmal auch anstrengend. Ordnung und Disziplin gehören genauso zum Reisegepäck wie Toleranz und Rücksichtnahme. Diese Erfahrung mussten oder durften auf den ersten Reisen durch Spanien, Portugal, Italien und Deutschland bereits machen. Unser Leben auf 10 Quadratmetern möchten wir – trotz aller Einschränkungen und Kompromisse – aber nicht mehr missen. Und unseren Entscheid haben wir bislang keinen Tag bereut. Wir mögen das Leben im kleinen «Tiny House» auf Rädern.
«Panamericana» Europas
Unser nächstes Reiseprojekt startet am Ende dieses Jahres am südlichsten Punkt Europas im andalusischen Tarifa am Scheidepunkt von Mittelmeer und Atlantik, exakt 14 Kilometer vom Afrika entfernt. Von dort aus möchten wir in 180 Tagen durch 18 Länder und 18'000 Kilometer zum nördlichsten Punkt Europas, dem Nordkap fahren - eine «Panamericana» in Europa sozusagen. Fixe Zeiten und Routen gibt es nicht. Wir möchten uns treiben lassen und schauen, wie lange wir und unser siebenjähriger «Moby Dick» es aushalten und wie weit wir es schaffen?
Einmal im Monat «Vanlife»
In unseren Blogs und Videos werden wir regelmässig über unser Projekt X-EUROPE berichten und die Leser:Innen und Abonnent:Innen an unserem «Vanlife» teilhaben lassen. Wir freuen uns auf rege Begleitung!
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