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# 28 Donau fliesst (auch) in die Nordsee

  • Autorenbild: CamperFan
    CamperFan
  • 11. Juli
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Juli

Start an der Donauquelle im Schwarzwald  bei Furtwangen
Start an der Donauquelle im Schwarzwald bei Furtwangen

Vor zwei Jahren haben wir Europa mit dem Camper im Rahmen unseres «X-Europe-Projekts» vom südlichsten zum nördlichsten Punkt durchquert. Nun wollen wir den faszinierenden Kontinent auch noch von West nach Ost erkunden. Was liegt da näher, als dies entlang von Europas zweitlängstem Fluss zu tun - von der Donauquelle im Schwarzwald bis zur Mündung am Schwarzen Meer. Das «Donau-Projekt» ist geboren.


Es sind schon einige Tage ins Land gezogen, seit wir mit unserem Camper von Tarifa in Südspanien in 180 Tagen durch 18 Länder zum Nordkap in Norwegen hochgereist sind. Die Erinnerungen sind geblieben. Die Sehnsucht nach neuen Erlebnissen auch. Europa viel zu schön und zu vielfältig, um nicht entdeckt zu werden. So haben wir uns entschieden, unseren Kontinent auch noch von West nach Ost zu erkunden. Die Strecke vom westlichsten Punkte in Portugal bis in die Schweiz kennen wir aus früheren Reisen, und so erscheint uns die Donau-Variante als die ideale West-Ost-Lösung. Gemächlich und doch stetig folgen wir dem Rhythmus des Stromes und geben uns seinen spannenden Geschichten und Begegnungen hin. Die faszinierenden Landschaften erkunden wir mit dem Camper, dem Mountainbike, dem Kajak, am Klettersteig oder zu Fuss – immer dem roten Faden oder eben der blauen Linie der Donau entlang.  


Streit um «Quellrecht»

Im Gegensatz zu unserem X-Europe-Projekt ist die Anreise zum Ausgangspunkt beziehungsweise zur Quelle im Schwarzwald sozusagen ein Katzensprung. Wo genau die Donau entspringt, ist seit jeher umstritten. Landläufig gilt Donaueschingen als «Wiege» der Donau, weil dort die beiden Bäche Brigach und Breg zusammenfliessen und sich zur Donau vereinen. Nicht umsonst lautet ein Sprichwort «Brigach und Breg bringen die Donau zuweg». Eine eigentliche Quelle gibt es in Donaueschingen allerdings nicht. So erachten viele die Bregquelle als wirklichen Ursprung der Donau. Diese befindet sich gut 30 Kilometer nordwestlich von Donaueschingen in der Nähe von Furtwangen bei der Martinskapelle auf gut 1000 m ü. M. Dort lautet das untermauernde Sprichwort halt ganz einfach «Die Breg bringt die Donau zuweg.» Wie dem auch sei: Im Rahmen unseres Projektes entscheiden wir uns natürlich für die «Mutter» aller Donauquellvarianten bei der Martinskapelle. Von dort aus wird die Flusslänge bis zur Mündung am Schwarzen Meer mit 2888 Kilometer beziffert, von Donaueschingen aus mit 2857 Kilometer. Die Donau ist nach der Wolga damit nicht nur der zweitlängste Fluss Europas, sondern auch der einzige grössere, der von West nach Ost fliesst, zehn Länder tangiert und vier Hauptstädte verbindet. 

 

Ein Fluss, zwei Meere

Wir parkieren unseren Camper beim Quellhotel Kolmenhof, welches ein paar hauseigene Stellplätze anbietet. Von hier aus kann die etwas kitschig anmutende Statue des Flussgott Danuvius, der symbolisch über der Bregquelle thront, in wenigen Gehminuten zu Fuss erreicht werden. Kaum vorstellbar, dass das kleine Rinnsal Wasser knapp 3000 Kilometer weiter östlich irgendwann ins Schwarze Meer fliesst. Wir bringen unsere Fotos und Videos in den Kasten, übernachten auf besagtem Stellplatz und fahren am nächsten Tag nach Donaueschingen zur richtigen oder eben falschen Quelle der Donau. In einer parkähnlichen Anlage manifestiert ein grosses Loch mit kristallklarem Wasser den Ursprung der Donau. Im Gegensatz zur Bregquelle tummeln sich hier deutlich mehr Besucher um das Quellloch. Der nächste Höhepunkt wartet kurz vor Tuttlingen bei Immendingen: Die Donauversickerung. Dabei handelt es sich um ein weltweit einzigartiges Phänomen. Ein Grossteil der Donau fliesst nämlich nicht ins Schwarze Meer, sondern in den Rhein und damit in die Nordsee. Bei Donaueschingen standen wir soeben noch an der munter plätschernden jungen Donau und nun plötzlich in einem staubtrockenen Bachbett. Wie kann das sein? Wo ist das Wasser hin? Bei Niedrigwasser versickert die komplette Donau im karstigen Untergrund und kommt erst rund fünfzehn Kilometer südöstlich im sogenannten «Achtopf» wieder zum Vorschein. Weil dazwischen eine kontinentale Wetterscheide liegt, fliesst das Wasser des Achtopfs in den Rhein und damit in die Nordsee. Nur wenn die Donau genügend Wasser führt, schafft es ein Teil davon über die karstigen Stellen in Richtung Schwarzes Meer. Die Donau ist damit weltweit der einzige Fluss, der sozusagen in zwei Meere fliesst. Wir folgen aber nicht dem Rhein, sondern der Donau.

Der junge Fluss im oberen Donautal
Der junge Fluss im oberen Donautal

Wer hats erfunden?

Im Oberen Donautal planen wir ein paar Tage Zwischenhalt ein. Von der Ölmüle in Thiergarten (Stellplatz) aus unternehmen wir eine Tageswanderung über die schroffen Felsformationen entlang des Donauufers. Mystische Wälder, saftige Blumenwiesen, atemberaubende Ausblicke und verschiedene Burgen bilden eine abwechslungsreiche Kulisse. Nicht weniger spektakulär geht es im nahegelegenen Sigmaringen weiter, wo wir auf einer Wanderung die Teufelsbrücke überqueren. Die Geschichte weist auffällige Parallelen zu «unserer» Brücke über die Schöllenenschlucht auf – hier wurde dem Teufel für seine Hilfe an den schwierigen Bauarbeiten allerdings kein Ziegenbock, sondern ein Hund geopfert.

Das imposante Schloss Hohenzollern in Sigmaringen
Das imposante Schloss Hohenzollern in Sigmaringen

Auf einem Felsen oberhalb von Sigmaringen thront das imposante Schloss Hohenzollern. Dieses wird heute noch teilweise von der Adelsfamilie Hohenzollern bewohnt und ist zudem Sitz der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern. Ein Teil der Räumlichkeiten steht den Besuchern zur Besichtigung offen.


Paradoxer Höhenrekord

Kurz vor Ulm schwenken wir nach Blaubeuren ab. Wir möchten uns vergewissern, ob der Blautopf effektiv so blau ist, dass er es mit unseren türkisblauen Bergseen aufnehmen kann. Wir müssen gestehen: Nomen est omen trifft hier tatsächlich zu. Selbst ohne Sonnenlicht präsentiert sich das Quellloch der «Blau» in fast schon kitschigem Türkis.

In Ulm befindet sich (noch) der höchste Kirchturm der Welt
In Ulm befindet sich (noch) der höchste Kirchturm der Welt

Die Blau fliesst bei Ulm, wo wir als Nächstes hinwollen, in die Donau. Schon von Weitem ist der Turm des weltbekannten Münsters zu erkennen. Dieser ist mit einer Höhe von 161,53 Meter der höchste Kirchturm der Welt. Noch. Anlässlich des 100. Todestages von Gaudi im nächsten Jahr soll die Sagrada Familia in Barcelona auf der Turmspitze ein Kreuz erhalten, mit welchem diese rund 10 Meter höher ist als der Turm in Ulm und ihm damit den Weltrekord abknöpfen wird. Ironie des Schicksals: das gläserne «Gipfelkreuz» in Barcelona wird von einer deutschen Firma in Gundelfingen – keine 40 Kilometer vom Ulm entfernt, produziert. Beim Besteigen des Kirchturms sind wir froh, dass dieser nicht noch höher ist. Der steile Zustieg über schmale Wendeltreppen und 540 Stufen hinauf auf 102 Meter reicht uns vollends aus. Wir wissen nicht, ob das Treppensteigen oder die schwindelerregende Sicht auf die Donau und die winzig scheinenden Häuser Schuld an unseren weichen Knien trägt. Ulm ist auch bekannt für das Rathaus mit seiner Astronomischen Uhr, das Schiefe Haus oder das Fischerviertel. Und für seine Einwegboote. Die «Ulmer Schachteln» dienten in vergangenen Jahrhunderten Auswanderern dazu, sich hunderte Kilometer Flussabwärts im heutigen Ungarn, Bulgarien oder Rumänien niederzulassen und eine neue Zukunft aufzubauen. Dort gibt es heute noch ganze Siedlungen von ehemaligen «Donauschwaben». Auf deren Spuren wollen wir uns in den kommenden Wochen machen. Aber nicht mit einer «Schachtel», sondern mit unserem Camper.



Flucht vor Unwetter

Die folgende Nacht verbringen wir rund 150 Kilometer flussabwärts in Neuburg. Genauer gesagt: Wollen wir verbringen. Nachdem wir im Radio und im Internet den ganzen Tag mit einer Unwetterwarnung für exakt diese Region konfrontiert wurden, entscheiden wir uns, den Platz am Donauufer zu verlassen. Auf sintflutartigen Starkregen, Sturmböen und faustgrosse Hagelkörner haben wir keine Lust beziehungsweise wollen wir unserem MuK nicht zumuten.

Schutz vor dem Unwetter auf Autobahnraststätte
Schutz vor dem Unwetter auf Autobahnraststätte

Rund 50 Kilometer weiter südlich finden wir auf einer Autobahnraststätte einen gedeckten Parkplatz. Zusammen mit weiteren Campern und Vans verbringen wir die Nacht an diesem nicht gerade romantischen, aber zweckmässigen Ort. Es stürmt, gewittert und regnet gewaltig, aber der befürchtete Hagel bleibt aus – im Gegensatz zur Region Ulm, wo tatsächlich golfballgrossen Hagel vom Himmel donnert. Am Morgen fahren wir zurück an die Donau. Auf dem Weg dorthin durchqueren wir die Hallertau. Mit über 17000 Hektaren Hopfen ist diese Region das grösste zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Bayern ist demnach nicht nur Epizentrum der Bierbrauereien, sondern auch des Hopfens selber. Selbstverständlich lassen wir es uns nicht entgehen, eine solche Brauerei zu besuchen.


Bier und Hundertwasser

Wir entscheiden uns für Kuchlbauer in Abensberg. Beim Familienbetrieb in der 9. Generation handelt es sich um die 14-älteste Brauerei der Welt. Und eine ganz Spezielle obendrein. Die Traditionsbrauerei ist nämlich gleichzeitig eine umfangreiche Kunststätte des bekannten Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Dem ehemaligen Kuchlbauer-Chef war es gelungen, Hundertwasser für die Umgestaltung seiner Brauerei und Bau eines Turms zu gewinnen – obwohl dieser Ende der Neunzigerjahre bereits krank war und im Jahr 2000 noch während der Planungsphase verstarb. Umgesetzt und vollendet wurde Hundertwassers Entwurf durch seinen «Hausarchitekt» und Freund Peter Pelikan. Unweit von Abensberg befindet sich das Benediktinerkloster Weltenburg mit dem bekannten Donaudurchbruch. Hier hat sich das Wasser über Jahrmillionen tief in die Felsen gefressen und eine malerische Kulisse geschaffen. Wir erkunden diesen Flussabschnitt zwischen Weltenburg und Kelheim mit einer Zille – einem traditionellen Donau-Fischerboot. Am Abend erreichen wir Regensburg und damit den nördlichsten Punkt der Donau auf ihrem Weg zum Schwarzen Meer. Direkt unterhalb der steinernen Brücke besuchen wir die bekannte «Wurstkuchl». In diesem Traditionslokal sollen sich angeblich schon im Mittelalter Schiffsreisende verköstigt haben – damals mit gesottenem Fleisch und Sauerkraut, heute mit hausgemachten Grillwürsten und Sauerkraut. Es schmeckt – zusammen mit einem kühlen Weizen und Blick auf die Donau – herrlich. Nach zwei Tagen Stadterkundung setzen wir unser Segel in Richtung Passau.

Walhalla - fast wie griechische Antike mitten in Deutschland
Walhalla - fast wie griechische Antike mitten in Deutschland

Kleine Donau «verschlingt» grossen Inn

Wenige Kilometer flussabärts legen wir bereits den ersten Zwischenstopp ein: Wie ein architektonischer Fremdkörper thront die bekannte Walhalla über der Donau. Man fragt sich, was die Akropolis nach Bayern verschlagen hat? Der klassizistische Bau im Stil antiker Tempel wurde im Auftrag von König Ludwig I zu Ehren bedeutender Deutscher Persönlichkeiten erbaut. Ein Besuch lohnt schon alleine schon der schönen Aussicht wegen und wirkt irgendwie überraschend und befremdend zugleich. Bei Platting besuchen wir die Isarwelle (bekannter Trainingsspot für Kajaker) und übernachten auf einem Bauernhofstellplatz von Landvergnügen, einer ähnlichen Plattform wie unser Schweizer Landcamp.ch.

In Passau fliesst der grüne Inn und die blaue Donau zusammen
In Passau fliesst der grüne Inn und die blaue Donau zusammen

Am nächsten Tag treffen wir in Passau ein und haben Glück, auf dem Stadt-Stellplatz den letzten Platz zu ergattern. Passau gefällt uns auf Anhieb gut. Klar, die malerische Altstadt und den Dom St. Stephan mit der grössten Kirchenorgel der Welt (17974 Pfeifen) muss man gesehen haben. Aber am meisten beeindruckt hat uns das Dreiflüsse-Eck. Hier fliessen die Ilz und die beiden grossen Flüsse Inn und Donau zusammen. Der Inn entspringt bekanntlich im Schweizer Kanton Graubünden am Lunghin-Pass im Engadin. Hier in Passau führt «unser» Fluss rund 30 Prozent mehr Wasser als die Donau, die ihren Namen trotzdem bis ans Schwarze Meer beibehält. Einerseits legt die Donau bis Passau eine grössere Strecke zurück und andrerseits eine geradere, geografische Linie (West-Ost). Zudem dürfte beim damaligen Namensentscheid wohl der «Heimvorteil» eine gewisse Rolle gespielt haben. Nichtsdestotrotz: Der Zusammenfluss der blaugrauen Donau und des grünweisslichen Inns (viel Gletscherwasser) ist beeindruckend.



 
 
 

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