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  • AutorenbildCamperFan

# 20 Wir erreichen das Ziel am Nordkap




Die Wetterprognosen für die nächste Woche sind leider immer noch nicht besser. Wir haben genug von Sturm, Kälte und Dauerregen und entscheiden uns, von der schönen Stadt Trondheim zurück nach Schweden zu fahren. Während der anhaltenden Westwindlage stauen sich die dicken Regenwolken an Norwegens Bergen und Schweden ist – ähnlich wie in den Alpen bei einer Föhnlage – wetterbegünstigt. Via Are (bekanntes Skigebiet) erreichen wir das schwedische «Flachland», wo sich das Wetter tatsächlich moderater präsentiert. Wir können uns endlich wieder mal aufs Mountainbike schwingen und damit ein abgelegenes Flusstal erkunden. Von Östersund führt unsere Reise etappenweise nordwärts.



Dabei entdecken wir die wohl schönsten Übernachtungsplätze unserer Reise – meistens an einem See oder Fluss und völlig abgeschieden in den weiten Wäldern Nordschwedens. Die befürchtete Mückenplage bleibt aus, da die Temperaturen – laut Einheimischen – noch zu kühl sind für die Jahreszeit.



Kurz vor Jokkmokk erreichen wir den Polarkreis. Von hier aus wird uns in den nächsten Tagen die Mitternachtssonne begleiten. Komisch, wenn nachts um 1 Uhr die Sonne durch die Fensterritzen scheint und es draussen taghell ist – oder man abends um 23 Uhr noch zu einer kleinen Wanderung aufbricht.




Flugzeugwrack und Sturm

In der Region Gällivare erfahren wir zufälligerweise von einem Flugzeugwrack aus dem Zweiten Weltkrieg, das auf einem Hochmoor liegen soll. Da wir solche «Lost Places» lieben, entscheiden wir uns, die Absturzstelle aufzusuchen. Der Pfad dorthin ist gut zu finden und führt durch lichte Birkenwälder und über holzplankenbesetzte Moore hinaus in die Pampa, wo wir nach einigen Kilometern tatsächlich auf die Trümmerteile treffen. Laut Info-Tafel handelte es sich um einen britischen «Lancaster»- Bomber, der an der Norwegischen Küste das Deutsche Kriegsschiff «Tirpitz» bombardieren musste. Aufgrund eines Motoren- und Hydraulikausfalls sah sich der Pilot gezwungen, im neutralen Schweden eine Notlandung einzuleiten. Trotz der harten Landung im Hochmoor hatten alle sieben Besatzungsmitglieder überlebt. Solche Absturzstellen (Fliegende Festungen) gibt es bekanntlich auch im Prättigau. Eigentlich schade, dass man diese nicht – wie hier in Schweden – als Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs und als Tourismus-Magnet erhalten liess und zugänglich machte. Die meisten Trümmerteile der «Bündner»-Bomber wurden weggeräumt oder in ein Museum verfrachtet; und die letzten Überbleibsel von Wanderern als Souvenir mitgenommen. Ein Besuch auf dem Hausberg Dundret darf natürlich nicht fehlen. Allerdings werden wir dort oben vom eisigen Sturm fast weggeweht und suchen bald wieder unseren «Moby Dick» auf, wo wir uns wetterpassend mit einem Raclette aufwärmen.



Karibik liegt in Norwegen

Unser nächster Stopp ist Kiruna – mit dem weltweit grössten Erzbergwerk nicht die schönste, aber die nördlichste Stadt in Schweden. Hier nutzen wir wieder einmal einen Campingplatz, um diverse Arbeiten und Aufträge zu erledigen. Danach fahren wir zurück nach Norwegen, wo sich das Wetter endlich besser präsentiert.



Für unsere weiteren Spots ist das wichtig: Die Inseln Senja und Sommarøy erinnern mit ihren schneeweissen Stränden und dem türkisfarbenen Meer eher an die Karibik als an Norwegen. Krasse Farben, wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. In Tromsø machen wir anschliessend verschiedene Erledigungen, bevor es wieder hinaus ins Outback geht.



Drei Länder in 10 Sekunden

Ein Land fehlt und noch in unserem Reiseprojekt mit 18 Ländern. Und zwar Finnland. Diesbezüglich haben wir uns etwas Spezielles ausgedacht: Bei Kilpisjärvi führt ein Trail zum Dreiländer-Eck Finnland/Norwegen/Schweden. Die Umrundung des konusförmiges Grenzsteins will allerdings verdient sein: Das 22-Kilometer-Trekking (700 HM) führt über Stock und Stein, durch lichte Birkenwälder, über weite Moorgebiete (Holzplanken) und reissende Bergbäche, vorbei an dunkelblauen Bergseen, Schneefeldern, Wasserfällen und Renntieren weit hinaus ins Niemandsland. Zu unserem Erstaunen befindet sich der gelbe Grenzstein letztendlich in einem See – als ob man sich in dieser verlassenen Pampa nicht auf einen zugänglicheren und definierteren Ort hätte einigen können?! Metall-Stege ermöglichen uns immerhin die Umrundung des Steins beziehungsweise einen «Kurzbesuch» aller drei Länder.



Nördlichste Stadt der Welt

Weiter geht unser «Endspurt» nach Alta, wo wir auf einer Bootstour den Alta-Canyon erkunden und die architektonische Meisterleistung der bekannten «Nordlicht-Kathedrale» bewundern. In der gewundenen Titan-Fassade sollen sich im Winter die Polarlichter mit beeindruckenden Lichteffekten spiegeln.



Bevor es definitiv zum Nordkap hinaus geht, machen wir noch einen Abstecher nach Hammerfest. Die mit 11'500 Einwohnern nördlichste Stadt der Welt befindet sich auf dem Breitengrad von Nord-Alaska und Nord-Sibirien. Zum Glück ist auch hier oben mittlerweile der «Sommer» eingekehrt und die Temperaturen bewegen sich teilweise sogar im zweistelligen Bereich.


«Europapark» am Ende der Welt

Je näher wir uns dem Nordkap nähern, je karger wird die Landschaft. Auf den zerklüfteten und windexponierten Felsplateaus ist selbst der letzte Busch oder Strauch ausgedehnten Geröllfeldern und lichtem Steppengras gewichen. Die Strasse endet vor einem riesigen Parkplatz und einem Besucherzentrum - und Dutzenden von Reisebussen, Autos, Wohnmobilen und Motorrädern mit hunderten von Besuchern. Tagsüber wähnt man sich hier eher im Europapark als am Ende der Welt. Ein personenfreies «Selfie» vor der bekannten Weltkugel ist nur morgens zwischen 03 und 04 Uhr möglich. Aber selbst zu dieser Zeit warten wir noch bis zwei Polen vor ihren Oldtimern fertig posieren und eine 6-Köpfigen Motorradgruppe aus Italien alle Fotos im Kasten hat. Für uns ist das Nordkap ohnehin nicht das eigentliche Ziel. Dieses liegt nämlich nordwestlich auf einer Landzunge am «Knivskjellodden». Der «echte» nördlichste Punkt Europas ist nicht mit dem Auto, sondern – einmal mehr – nur mit einem längeren Fussmarsch (18,5 KM, 500 HM) erreichbar. Für uns ist klar: Wenn wir schon vom südlichsten zum nördlichsten Punkt Europa unterwegs sind, dann muss es auch der nördlichste sein. Und so erreichen wir, pünktlich zum Mittsommer, nach 181 Tagen, 18 Ländern und gut 14'000 Kilometern (fast) alleine den begehrten Monolith auf der felsigen und zerfurchten Landzunge am Rande des Polarmeers.



1000 Erinnerungen

Das Gefühl, vor einem halben Jahr einen Steinwurf von Afrika entfernt bei Tarifa in der Meeresbrandung gestanden zu haben und nun hier oben in den Schneefeldern und der ewigen Sonne am Nordkap zu stehen, ist unbeschreiblich. Im riesigen «Rucksack» voller Erlebnissen stecken viele neue Bekanntschaften und Erfahrungen sowie unzählige Erinnerungen. Damit haben wir nicht nur das Ziel am Nordkap, sondern auch das Ziel nach einer Neuorientierung ausserhalb des Hamsterrades erreicht. Das Gefühl von Raum und Zeit hat für uns im letzten halben Jahr tatsächlich eine neue Dimension erlangt: Wir leben zwar eingeschränkt auf 10 Quadratmetern, fühlen uns aber wie in einem Luxushotel mit Fensterplatz - manchmal direkt am Meer, mitten in der Wüste, in der pulsierenden Stadt, im nordischen Föhrenwald oder am idyllischen Bergsee. Weniger bedeutet für uns in diesem Fall zweifellos Mehr! Der regelmässige Blick hinter neue Horizonte lässt auch die Uhren scheinbar langsamer zu drehen. Wie schnell ziehen die Monate und Jährchen im verplanten und getakteten Leben doch sonst vorbei? Auch wenn sich unser Nomadenleben allmählich oder vorübergehend zu Ende neigt, sind wir überzeugt, dass die vielen Erfahrungen nicht nur zeitlos bereichernd sind, sondern auch in unseren neuen «Alltag» einfliessen werden.

Ob es nach Finnland über Schweden und Deutschland oder über Estland, Lettland, Litauen und Polen zurück geht, werden wir je nach politischer Lage und Lust und Laune im Bereich Helsinki entscheiden. Damit endet unsere Reiseserie «Vom südlichsten zum nördlichsten Punkt Europas».


Die Rückreise - So gehts weiter:

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